Die Thomaskirche in Leipzig, berühmt als Wirkungsstätte
Johann Sebastian Bachs, wird seit 1961
unter Leitung des Instituts für Denkmalpflege, Arbeitsstelle
Dresden, im Inneren erneuert. Während
die auf die Gründungszeit des Augustinerchorherrenstits
1212 iZiurückgehenden und im 14. Jh. umgestalteten
Chorteile gegenwärtig restauriert werden, wurde
das spätgotische Hallenlanghaus von 1482—96
schon im ersten Bauabschnitt bis zu den Jubiläumstfeierlichkeiten
von Kirche und Thomanerchor im
Sommer 1962 fertiggestellt. Der denkmalpflegerischen
Entscheidung über die farbige Raumfassung gingen
eingehende Farbuntersuchungen voraus, die das farbige
Erscheinungsbild der Kirche im Laufe ihrer
Geschichte klärten.
Raumfassung 1, 1496: Wesentlich ist der durch
die Farbe betonte architektonische Kontrast zwischen
den Wänden, den verhältnismäßig eng gestellten
Pfeilerreihen (weißer Kalk) und dem darüber „eingehängten”,
reich figurierten Gewölbenetz (roter Bolus).
An den Schlußsteinen Rankenbemalungen, teilweise
stark stilisierten teilweise von ziarter Einfühlung
in das Naturvorbild; an den Rippenkreuzungen Flammenbündel.
Die Rippen setzen entsprechend der Breite
des Schiffes verschieden hoch an. Genau in der
Mitte der Halle ist ein architektonischer „Bruch” zu
bemerken, die Rippen in den Seitenschiffen laufen
in der Osthälfte tiefer aus als in der Westhälfte.
Diese architektonische Eigenart wird durch die Bolusfaissung
der Rippenansätze — Begleitstreifen in der
Westhälfte, Andeutung von Quadern in der Osthälfte
— betont.
Raumfassung 2, wohl 1540, ausgedehnt auf die
1570 neu eingebauten Renaissanceemporen: vornehmes
Silbergrau an allen Raumteilen, Pfeiler schwarzweiß
gefugt. Rippen und Fenstergewände durch Fugen
abgesetzt, an der Westempore Schriftbänder. Raumfassung 3, 1638: Rötliches Grau an Pfeilern
und and Gewölben, an den Pfeilern spiralig sich
hochwindende schwarze Streifen, an der Stirnwand
der Halle eine illusionistische Architekturmalerei, die
„große Perspektive”, Emporen marmoriert.
Raumfassung 4, 1721: Einheitliche Ausmalung in
einem hellen Grau als „Grund” für die reiche Barockausstattung.
Wohl schon früher ist das spätgotische
Kontrastverhältnis Stütze — Gewölbe durch
Abschlagen der Rippenansätze und durch Einfügung
von Kämpfergesimsen im „klassischen” Sinne regularisiert
worden.
Raumfassung 5 und 6, Anfang 19. Jh.: graugrüne
und weißgraue Farbfassung ohne künstlerischen Anspruch.
Raumfassung 7, 1886—89 durch Constantin Lipsius,
Dresden: Pfeiler geputzt, Rippenansätze im
Sinne „baumartigen” Herauswachsens falsch ergänzt,
Emporen abscharriert und bemalt, Ausmalung
in grüngrauen und dunkelroten Farben mit frei e r fundenen
Ornamenten. Neugotische Ausstattungsstücke,
hölzerne Wandverkleidungen, bunte Fenster
sollen den Raum mystisch idealisieren und zugleich
den Eindruck einer „gemütlichen Bürgerkirche” erzeugen.
Die Erkenntnis, daß die ursprüngliche Farbgebung
der künstlerischen Eigenart der Halle am gemäßesten
war und der verhältnismäßig gute Erhaltungszustand
der ornamentalen Bemalung legten eine Rekonstruktion
der ersten Farbfassung nahe. Allerdings
stand von vornherein fest, daß man angesichts der
besonderen Qualität der Ranken und Flammen hier
auf jede Ergänzung verzichten müsse. Nach Abnahme
des Putzes an den Pfeilern wurden die Picknarben
sorgfältig geschlossen, Pfeiler, Gewölbekappen und
Wände wie ursprünglich weiß gekalkt. Die Rippenansätze
wurden in Kalkstuck im originalen Sinne
ergänzt und die Bemalung der Rippen und Rippenansätze
archäologisch getreu rekonstruiert. Die „secco”
gemalten Ranken ließen sich nach Aufweichen der
darüberliegenden Kalkanstriche mit Federmesserchen
subtil freilegen. Um der oft nicht ganz eindeutigen
Form des Ornaments habhaft zu werden, wurde der
Grund erst einmal mit Kalk, dem Titanweiß
zugesetzt wurde, ausgelegt. Klärte sich die „Figur”
nicht, wurden Teile der Ranken oder der ganze
Gewölbezwickel mit Kalk ausgestrichen. Die Bemalungen
wurden lediglich konserviert. Die Renaissant
ceempore wurde in einem an die zweite Farbfassung
angelehnten Silbergrau gefaßt.
Obwohl die Ausstattung des 19. Jh. zunächst
nicht verändert und nur zum Teil reduziert werden
konnte, ist die ursprüngliche Wirkung des Raumes,
zu dem die Farbe entscheidend beiträgt, weitgehend
wiedergewonnen worden. Das intensiv rote Rippennetz
steht in leuchtendem Kontrast zu den Pfeilern
und Wänden, aber auch zu den weißen Gewölbekappen.
Die leichten Variationen an den Rippenansätzen
tragen zu der in der Architektur angelegten Bewegtheit
des Raumbildes bei. Zwar sprechen Ranken
und Flammen nicht mehr in der originalen Farbkraft
und Vollständigkeit, sie sind aber noch immer „stark”
genug, um die ineinander verschränkten Gewölbefigurationen
optisch erfassen zu helfen. Sie bezeichnen
außerdem den Kirchenraum als „himmlischen Garten”,
als Paradieslaube.
L’église de St. Thomas à Leipzig est fameuse
comme Le lieu de l’activité de Jean Sebastien Bach.
Depuis 1961 la restauration de son intérieur est
réalisée par l’atelier de Dresde de l’Institut de Conservation
des Monuments Historiques. Le choeur provenant
de la date de l’établissement du chapitre des
chanoines de St. Augustin en 1212, transformé au
XVIs siècle, est en train d ’être restauré. L’intérieur
des nefs gothiques, toutes de la même hauteur et
provenant de 1482—96 a été restauré en 1962 pour le
750 anniversaire de la fondation de cette église. La
décision du choix des moyens de conservation du
coloris de l’intérieur fut prise après de nombreuses
et sérieuses études qui ont expliqué les changements
du coloris de l’église au cours de son existence.
Pendant ces études sept couches de peintures ont été
découvertes; les dernières proviennent de 1886—89,
les précédentes du début du XIXe siècle, de 1721, de
1638, d’environ 1540 et la couche première de 1496. La
première décoration de l’interieur souligne par les
couleurs le contraste architectural des murs et des
piliers relativement nombreux (enduits de blanc) à la
voûte aux arêtes rouges. Le coloris des arêtes de la
voûte était complété par des ornements peints autour
des clefs des voûtes et par des faisceaux de flammes
autour des croisements des arêtes. La constatation
que le premier coloris convenait le mieux au caractère
spécifique de cet intérieur ainsi que le bon état de
conservation des peintures d’ornement ont influencé
la décision de rétablir le premier coloris. On se rendait
compte d’avance que vu la qualité spécifique des
ornements peints et des flammes il fallait résigner de
tout autre supplément. Après avoir enlevé les couches
de couleurs plus récentes et après avoir reconstruit
les formes originales des éléments architecturaux de
l’intérieur qui avaient été endommagés, les peintures
polychromes furent reconstruites aussi fidèlement que
possible. Les peintures ornementales furent conservées
sans remplir les places où elles manquaient. Malgré
qu’il était impossible de modifier complètement
l’arrangement de l ’intérieur du XIXe siècle — on n’a
pu que le réduire quelque peu — l’effet original de
l’intérieur est rétabli en grande mesure surtout par
le coloris. Le rouge intense des arêtes contraste fortement
avec les piliens et les murs, ainsi qu’avec les
parties blanches de la voûte. Les petites différences
de la position des sommiers des arêtes ajoutent encore
à l ’effet du mouvement produit par l’architecture de
l’intérieur. Les ornements et les flammes n’ont plus
leur coloris intense mais il est encore assez „fort”
pour faciliter la perception optique de la disposition
des parties différentes de la voûte. En plus ces ornements
déterminent l’intérieur de l’église comme „le
jardin céleste”, comme une tonnelle au Paradis.