Das Gräberfeld „Mały Skansen” (bekannt als Dziekanowice, Fundstelle 22 - Gem. Łubowo, Woj. Wielkopolskie) liegt am östlichen Ufer des Lednica Sees, in der Nähe eines östlichen Brückenübergangs zur frühmittelalterlichen Burg in Lednica.
Nach der nächsten Ausgrabungskampagne auf dem Skelettgräberfeld in Dziekanowice (Fst. 22) wurde eine Serie von Laboruntersuchungen der Textilien durchgeführt. Diesmal waren es: ein Fragment des grobleinenen Riemens (bei einer kleinen Schnalle - Grab 20/03) und mineralisierte Überreste eines Gewebes auf einer silbernen Münze - Blech (?) aus dem Grab 80/03. Beide Funde erweitern mit neuen Erzeugnissen die bisherigen „Ausgrabungsgewebe“ aus dem Gräberfeld aus dem 11.-12. Jh.. Obwohl sich die Überreste oder Abdrücke von Textilien und anderen Nichtweberprodukten nur bei 29 von über 1148 Toten erhalten haben, die in den Jahren 1964-2003 (in 1092 Gräbern) ausgegraben wurden, wird das Gräberfeld in Dziekanowice aus dem Gesichtspunkt der Textilkunde zu den in dieser Hinsicht besser untersuchten Gräberfelder auf dem Gebiet Großpolens gezählt (A. Sikorski 2003).
Ergebnisse der Analysen von Gewebefragmenten
1. Schulterriemen
Ein in den Rahmen der Schnalle eingedrückter Riemen. Der Rahmen ist etwas nach vorne gebogen. Dieses Fragment war mit zwei Bronzeblechen (0,2 mm stark) mit durchgebohrten Öffnungen (1,5 mm Durchmesser) für die Nieten und „Unterlagen“ aus Leder (?) versehen. Die Bleche, wie es scheint (wegen des Dommangels), spielten die Rolle einer Art vom Sperrriegel (indem sie sich senkrecht zum Rahmen einstellten). Von der Innenseite wurden zwei Riemenschichten und außen eine Schicht mit charakteristischen Falten auf beiden Seiten der kürzeren Rahmenteile gefunden. Man kann nicht ausschleißen, dass der Riemen von der Innenseite in eine Schlinge zugezogen wurde, die eine zusätzliche Sicherung für nicht gut geschlossenen Riegel war (?).
Auf beiden Seiten der Bronzeschnalle wurden 1-1,5 cm große (versandete und zum Teil mineralisierte) Riemenfragmente in einigen Schichten (von der Innenseite) gefunden. Der untere Teil war mehr verpresst, der äußere gefaltet. Direkt am Rahmen befanden sich zwei Bronzebleche (mit Öffnungen für die Nieten ?), die eine Art vom Sperrriegel oder Verstärkung des Riemens in der Öffnung der Schnalle waren. Die Abmessungen der Probe: 12x10, 10x7,5 mm. Die Farbe eher natürlich (10YR 6/4, 6/6). Bau: Flechtwerk, Breite 12 mm, Stärke ca. 0,246 mm.
Datierung: Frühmittelalter (11.-12. Jh.).
Bemerkungen: aus dem Skelettgrab einer 25 Jahre alten Frau (Grab 20/03); Schnalle (Inv.-Nr. 32/03), auf der rechten Beckenseite (Abb. 2: D).
Flechtwerk aus einem Pflanzenrohstoff von hoher Qualität (Durchmesser der Elementarfaser: 0,010-0,016 mm, durchschnittlich 0,013 mm), aus den Fasern des oberen Stielteils. Das Garn rechts gedreht (Z), die Faseranordnung im Winkel von 21-23°. Verschiedene Fadenstärke, zwischen 0,213 und 0,492 mm, Anordnung des dünnen und des dicken Gams nicht regulär, natürliche Farbe (?). Der Riemen wurde in traditionelle Weise aus 12 Faden ausgeführt.
2. Gewebe auf der Münze - Blech
Die Gewebefragmente, die an der Münze angeklebt waren, sind als ein für das Frühmittelalter typisches Erzeugnis (Köperbindung 2/2, Gewebetyp 7) zu anerkennen. Der Pflanzenrohstoff (Lein ?) wurde sorgfältig vorbereitet (Durchschnittsstärke der Elementarfaser 0,013 mm in beiden Fadensystemen). Das dünnere Kettengam (O) war schwächer gedreht (rechts Z, im Winkel von 20°) als der Einschluss (W - auch Z; im Winkel von 28°).
An den Rändern einer von den Flächen der silbernen Münze - Blechs (?) wurden die Überreste eines teilweise mineralisierten Gewebes gefunden, auf der anderen Seite haben sich dagegen nur die Spuren des verpressten Gams erhalten. Es scheint, dass die Münze ursprünglich in Läppchen (?) eingewickelt sein konnte. Die Gewebefragmente sind an den Rändern und an der Kante der Münze „leserlich“, an einer Stelle, bei der Kante ist das Gewebe doppelzusammengefaltet (?). Abmessungen der Probe: 17x5 und 10x2 mm. Farbe: natürlicher Farbton (10 YR 7/4, 7/6)? Gewebebau: Köperbindung 2/2, nicht verfilzt (?), Typ 7 (J. Maik 1988, s. 73-74), Gattung III.
Datierung: 11.-12. Jh.
Bemerkungen: aus dem Skelettgrab eines erwachsenen Mannes (Grab 80/03); silberne Münze - Blech
(Inv.-Nr. 145/03) unter dem rechten Knie (Abb. 4: A).
Die besprochenen Fragmente erweitern die „Textilquellenbasis“ aus dem Gräberfeld, wo es gelang, 17 Proben zu bestimmen (aus 12 Gräbern, die in den Jahren 1992-2003 freigelegt wurden). Außerdem wurden in 5 anderen Gräbern Textilspuren festgestellt. Ihr Restzustand machte aber die Durchführung der Expertisen unmöglich. In den nächsten 12 Gräbern wurden während der Ausgrabungen Textilspuren erkannt und in Inwentarze Polowe (Feldinventare) dokumentiert. Der Erhaltungszustand machte auch in diesen Fällen die Expertisen unmöglich.
Unter den im Labor untersuchten Proben (Abmessungen: 3-35 mm) befanden sich die Fragmente der Kleidungen von Toten sowie Textilelemente der Direktbeigaben und Grabausstattung, also die Nichtwebergewebe und -produkte. Im allgemeinen waren es folgende Funde aus Wolle und Pflanzenfaserstoffen:
Kopfdeckungen: Stirnband? und Band (in den Gräbern 36/94 und 64/94);
Streifen der Wollenkleidungen (ausgeführt in Köperbindung 2/2, Gewebe vom Typ 7, 8, dicke – Gattung III und IV (die Gräber 29/92 und 17/98);
Säckchen („Geldbeutel”) an der Hüfte, ausgeführt in Leinwandbindung l/ l - Typ 1, Gattung III (Grab 29/92, 1/93,49/95, 50a/95);
Säckchen, „Bündel”, in die die Schüsseln eingewickelt waren (Gewebe in Köperbindung 2/1 - Typ 4 und 2/2 - Typ 8, teilweise verpresst, Gattung IV und III (Grab 17/98 und 45/00);
Schulterriemen, ein aus dem Pflanzenrohstoff geflochtener Riemen (Grab 20/03);
Läppchen (?), das die Münze einwickelt, Köperbindung 2/2, nicht verfilzt (?), Typ 7, Gattung HI (Grab 80/03);
Schnur zur Befestigung des Schläfenringes am Band (oder Stirnband); aus 5 Fäden, Stärke 1,74 mm (Grab 94/95);
dreiteilige Schnur mit 0,700 mm Stärke, die ein Element der Kleidung (des Randes?) ist, aber eher die Bronzekette an der Kleidung des Toten befestigt (Grab 28/01 ).
In der Gruppe nicht bestimmter Textilien wurden dagegen u.a. Fragmente einer Kopfdeckung (Grab 49/94), der Kleidung bei der Bindung der silbernen Fäden (Grab 40/92) und Gewebenegative auf dem Schwert (8/94) sowie Abdrücke der Gewebe auf den Münzen (Grab 61/94, 75/94), in die - vielleicht – zusätzlich die Obolus eingewickelt waren, gefunden. Unter nicht publizierten Funden waren in situ wahrscheinlich die „Säckchen-Geldbeutel“ dokumentiert. Kleine Gewebefragmente aus diesen Säckchen waren in 8 Fällen an den
Bronzebeschlag der Messerscheiden (Gräber: 50/94,81/94,28/96,29/96,69/96,42/99,16/00,19/02) und in einem Fall an den eisernen Feuerstahl (Grab 66/00) angeklebt. In drei Gräbern wurden zwischen den S-förmigen Öhren der silbernen Schläfenringe aquch Fadenfragmente gefunden (Gräber 22/96, 69/94 und 84/97), wobei im Grab 22/96 auch ein Gewebestreifen und eine „Schleife“ (die mit der Kopfdeckung verbunden wird) aufgetreten sind.
Es scheint, dass der fragmentarische Charakter der freigelegten Textilien eine Rekonstruktion der alten Kleidungen wesentlich beschränkt. Die sich vergrößernde Menge und Verschiedenheit der Textilien soll aber die Versuche der Wiederherstellung nicht nur der grundsätzlichen Kleidungsart sondern auch der Fassondetails oder der Verwendung von zusätzlichen Verzierungen, Applikationen usw. mit sich bringen. Zur Aufnahme von solchen Versuchen regen u.a. die Ikonographie, schriftliche Quellen und - auf dem heutigen Untersuchungsstand - die Grabfunde auf.
Generell kann man sagen, dass die Hauptelemente der Kleidung sehr lang ein langes Kleid - Tunika, ergänzt mit einem kürzeren Hemd, waren. Sie waren in der Taille mit einer normalen Schnur oder mit einem grobleinen oder Ledergürtel, der manchmal mit Klammem - Schnallen versehen war, umgebunden, an diesem Gürtel waren die Geldbeutel, Messer, Feuerstähle angebunden. In diese Gürtel wurden auch die Beile mit anderen Gegenständen gesteckt. In der Kultur des mittelalterlichen Europas zogen die Machthaber und die Ritter in der Regel die Hosenbeine aus Leder oder Wolle an. Lange Unterhosen waren unbekannt. Es wurden eher die Strümpfe, und die unter den Knien umgebundenen Beinschienen und Fußlappen getragen. Sie wurden entweder am Gürtel, der die Unterhose festhielt, befestigt oder mit wahrscheinlich bunten Salleisten umgebunden. Es scheint, dass das im Mittelalter dominierende einfache Hemd oder das längere Kleid die Resultante der bei Verwendung des Webstuhls erreichbaren Möglichkeiten waren.
Wenn wir über die Gewebe sprechen, müssen wir in der Perspektive ein breites Sortiment von Webprodukten haben, die im betreffendem Zeitraum angezogen oder eher ausgenutzt waren („Scheiben“). Die Kleidung ist nicht nur der Körperschutz aus den klimatischen Gründen. Sie ist auch der Schutz des Körpers gegen die Beschädigung wahrend der Ausführung verschiedener Tätigkeiten (z.B. in der Töpfer- oder Bronzierwerkstatt, Schuheinlagen, Handschuhe). Die Kleidung ist auch, und unter gewissen Umständen vor allem, eine Art von Manifestation des Einzelmenschen oder einer gesellschaftlichen, ethnischen oder Berufsgruppe. Die Kleidungsform, -farbe und Schmucksachen waren und sind Informationsträger und spielten - wie es scheint - eine wichtige Rolle in der Kommunikation zwischen den Menschen. In den Kleidungen findet Ausdruck die Veränderlichkeit der gesellschaftlichen Geschmäcke und Vorlieben. Für die Funktionierung einer bestimmten Kleidung (oder ihres Teils) muss die gesellschaftliche Akzeptanz vorliegen. Und diese Akzeptanz bedingen - neben den ästhetischen Gründen - die Gebrauchswerte sowie die technischen und Rohstoffmöglichkeiten. Auf die Kleidungsform haben Einfluss sowohl der Bau des menschlichen Körpers als auch die physiologischen und Bewegungsfunktionen. Der Gebrauchzeitraum der betreffenden Kleidungsform hängt auch von den Andachtsübungen, Glauben, Sitten sowie von dem Bewusstsein und Lust zur Identifizierung mit der ethnischen oder Kulturgruppe ab. Die jetzt schon große Menge von ausführlichen, manchmal eingehenden Analysen der mittelalterlichen Textilien soll die Überlegungen betreffs Ähnlichkeiten oder Unterschiede im Gebrauch der Textilien in einzelnen Gebieten des piastischen Polens bringen.
Wir haben viele Themen signalisiert, die sich mit der Weberei und Textilien direkt verbinden. Dadurch möchten wir auf die potentiell wichtige Rolle dieser Quellenkategorie aufmerksam machen, die von den Archäologen selten und nur fragmentarisch freigelegt werden, infolge dessen sie in den historischen Studien etwas im argen liegen.