Indywidualizacja podmiotu mistycznego w Cherubinowym Wędrowcu Angelusa Silesiusa Individualisierung des mystischen Gegenstands in Der Cherubinische Wandersmann von Angelus Silesius
In der deutschen mystischen Barockpoesie bildet sich allmählich das vormoderne autonome, von der Metaphysik unabhängige Subjekt heraus: Das lyrische Ich bleibt zwar noch sakralisiert, aber die mystische Frömmigkeit wird ästhetisiert. Diese These lässt sich an poetischen Werken zahlreicher Barockdichterinnen und Barockdichter wie Katharina Regina von Greiffenberg, Daniel Czepko, Quirinus Kuhlmann und – allen voran – Johannes Scheffler alias Angelus Silesius beweisen. Sein Hauptwerk Der Cherubinische Wandersmann, das 1.600 Epigramme umfasst, ist nicht, wie die meisten Literaturforscher behaupten, bloß eine Fortsetzung bzw. eine Kopie der spekulativen Mystik des deutschen Spätmittelalters, sondern bildet ein Novum und zugleich eine Art Brücke zwischen der christlich-mystischen Tradition und der modernen Poesie, die sich im 18. Jahrhundert (Klopstock, von Goethe) herauskristallisierte und das individualisierte Subjekt zu ihrem Gegenstand erhob. Die silesianische Tendenz der Individualisierung ist vor dem biographischen Hintergrund des Autors zu verstehen: In der Zeit des Dreißigjährigen Krieges und der konfessionellen Auseinandersetzungen war die mystische Poesie für den Dichter der Zufluchtsort der gefährdeten Identität und der vollen Integration mit Gott. Der Dichter sprengt den Rahmen der mystischen Tradition, indem er ins Zentrum des mystischen Geschehens das individuelle menschliche Subjekt rückt, das göttliche Gegenüber im Schatten des eigenen Ich stellt und die ontologische Einheit zwischen Mensch und Gott herstellt. In seinem vertikalen Abenteuer geht er so weit, dass er den Raum des eigenen Ich beherrscht, was vor ihm unbekannt war. Dabei helfen ihm die Intensivierung von typisch barocken Ausdrucksmitteln wie Metapher, Hyperbel, Zahlensymbolik und Paradox.
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