Kap. 3 des Johannesevangeliums stellt eine Reihe von literarkritischen, exegetischen und theologischen Fragen an die zeitgenössische Johannesforschung. Zu den ersteren gehört das Verhältnis des Dialogs des historischen Jesus zur kerygmatischen Reflexion, die auf die Unterredung folgt. Wenn auch die Abgrenzung beider Elemente kaum einwandfrei festzulegen ist, bleibt die Beziehung sowohl von 3, 13 (16)-21 wie auch von 3,31-36 zur Jesus Botschaft ausser Zweifel; dennoch sind an beiden Abschnitten die spezifisch johanneische Merkmale unverkennbar ohne dass eine redaktionelle Bearbeitung der Gemeinde ausgeschlossen werden muss. Die Untersuchung will gerade jene theologischen Gedanken aufzeigen und im Lichte der zeitgenössischen Strömmungen überprüfen. Mit dem Qumran-Schrifttum und mit der Gnosis ist dem Abschnitt J 3,1-21 die theologische (vor allem dualistische) Terminologie gemeinsam freilich auf einer ganz verschiedenen Ebene und in anderer Bedeutung. Auch die Eschatologie unterscheiden sich hier entschlossen durch ihre Gegenwartsfunktion von den spätjüdischen Apokalypsen. Der Evangelist, wenn er auch die zeitgenössische Sprache redet, verliert niemals den Christus, die Wende und das Ziel, dem die Heilsgeschichte zustrebt, aus dem Auge. Daher tritt der Menschensohn nicht wie üblich (auch in der synoptischen Tradition) als ein Richter, sondern vor allem als Heilsbringer und Erlöser auf. Sein „Gericht” wird nicht an das Zeitende verlegt, sondern vollzieht sich in der Ablehnung des Glaubens an Jesus. Der Prüfstein des christlichen Glaubens – ist eine entsprechende religiös-sittliche Haltung, die bei den Christen ins volle Licht gerät, dasselbe Licht hält das Gericht über die den Jesus Hassenden.
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